Ein Volk und seine Lieder

Krzysztof Minkowski lässt Schauspieler in der Stadt singen.

VON ILKA HILLGER | 01.10.2009, Mitteldeutsche Zeitung

DESSAU/MZ – „Wo man singt, dort lass´ dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ – oder doch? Was singt man in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert? Was sind Volkslieder, was Heimatlieder? Stimmt man im Osten andere Strophen an, als im Westen? Das deutsche Liedgut hält offensichtlich eine ganze Reihe an Fragen bereit. Krzystof Minkowski, ein junger Pole, sucht Antworten darauf. Was er gefunden hat, stellt er in der zweiteiligen Inszenierung „Gesänge aus Tausend und Einer deutschen Nacht“ vor. Mit Premiere I starten morgen um 12 Uhr vor dem Anhaltischen Theater die Eröffnungspremieren der Dessauer Bühne unter der Intendanz von André Bücker, Premiere II gibt es am 8. Oktober im Foyer des Alten Theaters.

Zwei Termine gibt es also, doch das, was man erlebt, ist grundverschieden, allein der Gesang eint beide Arbeiten. Während die Rundtour morgen und Samstag und Sonntag durch die Stadt als Werben für das Theater funktionieren soll, wo an bekannten und weniger bekannten Orten Schauspieler aufkreuzen und für und mit den Dessauern singen wollen, erlebt man eine Woche später im Alten Theater eine abendfüllende Auseinandersetzung mit den Liedern der Deutschen.

„Wir haben uns über die Musik an die deutsche Geschichte herangebissen“, erklärt Krzystof Minkowski seine Inszenierung. Als Handlungsrahmen hat er sich eine psychiatrische Anstalt erdacht, in die eine neue Ärztin kommt, um die Patienten mit einer Musiktherapie zu behandeln. „Es ist also kein reiner Liederabend, sondern ein Theaterabend, bei dem man gerne singt“, so der Regisseur, der verschiedene Situationen auf die Bühne bringt, die Darsteller typisiert, Eskalationen entstehen lässt. „Man merkt dann sehr schnell, dass Musik auch ein gefährliches Mittel sein kann. Das Gemeinschaftsgefühl beim Singen entwickelt einen großen Sog, dem man sich schwer entziehen kann“, hat Minkowski erkannt.

Wie viele Titel er sich im Vorfeld der Produktion angehört hat, weiß der Regisseur nicht. „Tausende?“ Auf jeden Fall haben es 17 Lieder in die Inszenierung geschafft. Lieder aus dem Osten, Volkslieder, auch Schlager oder Rock. Für die Außer-Haus-Veranstaltung wählte er 30 Lieder aus, die ab morgen für drei Tage im Stadtgebiet erklingen werden. Man kann mit Rad oder Auto den Liederbus und seine Besatzung verfolgen, und es ist ausdrücklich erwünscht, sich niederzulassen. Wer so viele Lieder kennt, wie die Schauspieler des Anhaltischen Theaters, kann schließlich kein böser Mensch sein.

Als Aktion im Stadtgebiet ist das Stück noch einmal am Sonnabend ab 11 Uhr und am Sonntag ab 14 Uhr zu erleben. Premiere II gibt es dann im Foyer des Alten Theaters am 8. Oktober um 19.30 Uhr.

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