Wer blinzelt, hat Angst vor dem Tod, Theater Momentum, Odense, Dänemark

 Nach dem Roman von Knud Romer

„Also mir war sozusagen der Mund zugewachsen, und (es ging darum,) diesen Mund aufzureißen und endlich zu sagen: Ende der Höflichkeit, der Krieg ist vorbei, und es ist nicht mehr sozial legitim, einfach anzunehmen, man kann auf die Deutschen loshauen, ohne dass man zurückschlägt.“

Knud Romer hat mit seinem ersten Roman in Dänemark einen Skandal ausgelöst. Wild, drastisch, zärtlich, todernst und komisch zugleich erzählt er die so dramatische wie gewöhnliche Geschichte seiner deutsch-dänischen Familie und schreibt sich den Alptraum seiner Jugend von der Seele. Ein »deutsches Schwein« ist Knud für seine Mitschüler in Nykøbing noch in den sechziger und siebziger Jahren, weil er anders ist als die anderen: Er trägt Lederhosen, singt deutsche Lieder und bekommt in Dänemark unübliche Pausenbrote mit in die Schule. Und ausgerechnet seine Mutter, deren erster Verlobter als Mitglied der »Roten Kapelle« von den Nazis hingerichtet wurde, wird als »Hitlerliebchen« beschimpft. Quer durch Dänemark und Deutschland führt die Geschichte seiner Familie über drei Generationen. Der dänische Großvater scheitert bei all seinen Unternehmungen und sitzt am Ende nur noch am Bahnhof  und schaut den Zügen hinterher. Dessen Sohn, Knuds Vater, hingegen ist so bemüht, alles korrekt und vorbildlich zu erledigen, daß er sogar dem deutschen Heer beim Einmarsch in Dänemark behilflich ist und den Soldaten den rechten Weg nach Kopenhagen zeigt. Die deutsche Großmutter wird beim Bombenangriff auf Magdeburg schwer verletzt; grausam entstellt, ist sie für den Enkel trotzdem eine Figur von klassischer Schönheit. Onkel Hermann schließlich aus Oberfranken schenkt Knud bei jedem Besuch Splitter einer Handgranate, die ihm nach und nach aus der Haut wachsen – und liefert damit das Material für Knuds großen Befreiungsschlag … Eine Inszenierung mit zwei Schauspieler als Roadmovie durch die dänische Geschichte. Das Hauptthema: Haß der Dänen nach dem zweiten Weltkrieg auf die Deutschen.  Es ist endlich mal die Zeit gekommen frei und ehrlich über die Nachkriegszeit zu sprechen. Ist Dänemark wirklich ein kleines Land mitten in Europa, das seine Identität nur durch Abgrenzung und Feindseligkeit gegenüber den größeren Nachbarländer definieren kann? Was passiert heute mit Ausländerfeindlichkeit, Nationalstolz und Verarbeitung der eigenen Geschichte in diesem liberalen Sozialstaat? Warum darf man in Dänemark die Deutschfeindlichkeit nicht thematisieren? Mögen die Dänen die Deutschen überhaupt? Ein Abend erzählt aus der Perspektive eines kleinen Jungen voller Demütigung, Trauer und Gewalt. Eine Achterbahn durch die Hölle. Mit viel Humor.

Schauspiel: Jonas Littauer,  Mille Maria Dalsgaard
Ausstattung: Konrad Schaller
Regie: Krzysztof Minkowski

Premiere am 2 Mai 2013 in Teater Momentum in Odense in Kooperation mit Theater Katapult in Aarhus in Dänemark

Eine Produktion im Rahmen der DIVA-Förderung (Aritst-in-residence) für die Spielzeit 2012/2013 in Teater Momentum

Fotogalerie

 

httpv://www.youtube.com/watch?v=Be5U4JBtbQk